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Immer da für 327 Euro im Jahr

Henning Godorr empfindet die Aufgabe als Bereicherung Der Mann von der Elbe betreut zwei Menschen in Oldenburg. Dabei hört er meistens auf seine Intuition. Thorsten Kuchta


OLDENBURG - Eigentlich geht das hier zu weit. Betreuer Henning Godorr (67) sitzt bei Kaffee und Windbeuteln mit Benny (27) auf der Terrasse in Osternburg und beide schäkern mit seinen Hunden. „Der Betreuer sollte eigentlich den Betreuten nicht in seinem normalen Lebensumfeld betreuen“, sagt Godorr in seinem markanten Hamburger Dialekt. Aber – bei Benny hat Godorr gleich erkannt, dass der junge Mann, der durch eine psychische Erkrankung zwischenzeitlich aus der Bahn geworfen wurde, Familienanschluss durchaus gebrauchen kann. Und dann wird das eben so gemacht.

Henning Godorr hat, wie man früher so sagte, in viele Töpfe geschaut. Hat nach der Schule als Seemann gearbeitet, war Bundespolizist auf Schiffen an der DDR-Grenze, führte später das Unternehmen seines Vaters, leitete einen Verein für psychisch Kranke – und kam über seine erkrankte frühere Ehefrau mit dem Thema Betreuung in Berührung. Weil seine heutige Lebensgefährtin in Oldenburg lebt, besuchte er hier eine Info-Veranstaltung zum Thema Betreuung. „Und die Frau Maulick vom Sozialdienst Katholischer Frauen hat gemeint, das könnte ich wohl auch.“ Er stellte nur eine Bedingung: „Wenn ich nicht katholisch und Frau werden muss, dann mache ich das.“ Er musste nicht.

Und so kann jetzt Benny von Godorrs Lebenserfahrung profitieren. „Ich habe mir da einiges abgeschaut, wie er auf Menschen zugeht“, sagt der junge Mann. Und das kann der durchaus gebrauchen.

Nach Ausbildung, familiären Konflikten und einem psychischen Knick wohnte er eine Zeit lang in einer betreuten Wohngruppe der Oldenburger Lebenswerkstatt. Doch dafür ist er nun zu alt – der Schritt in die eigene Wohnung stand an. Inzwischen lebt er in einem eigenen Zuhause und macht ein Praktikum im Einzelhandel. Den Schritt in die Eigenständigkeit erlebt er ambivalent; auf der einen Seite zurück in die Eigenverantwortung, auf der anderen der Verlust der stützenden Umgebung. „Die Zukunft zu planen, ist mir wichtig“, sagt er.

Godorr ist bei Benny Betreuer für die Bereiche Wohnen und berufliche Integration. „Alles andere macht er selbst“, sagt der Betreuer und schickt Benny Kaffee kochen. Denn: „Ein Gasthaus ist das hier nicht. Das ist das normale Leben.“ Doch manches Mal wird es auch dramatisch. Henning Godorr betreut auch einen Mann, der in einem Behindertenwohnheim der Gemeinnützigen Werkstätten lebt. Unlängst erkrankte der Mann schwer und musste auf der Intensivstation behandelt werden. Godorr war mit gewichtigen Fragen konfrontiert – mögliche OPs, Beatmung. „Das geht über meine Verantwortung“, sagt er. Solche Dinge entscheidet das Betreuungsgericht. Doch das Netzwerk in Oldenburg funktioniere einwandfrei, lobt Godorr: „Als Betreuer findet man immer hilfreiche Antworten.“ Inzwischen ist sein Schützling wieder gesund. Dass man in diesem Netzwerk viele Menschen kennenlernt, empfindet der Wahl-Oldenburger als große Bereicherung.

Henning Godorr ist übrigens ehrenamtlicher Betreuer. Pro Fall bekommt er 327 Euro pro Jahr Entschädigung. „Dafür macht man es nicht“, sagt er und schmunzelt, „es muss Spaß machen. Ich gebe gern Erfahrungen weiter.“

(Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg - 15. August 2012)